„Wörter können Wunder sein“
„Wörter können Wunder sein“ – ein verheißungsvolles Motto! Es ist ein Zitat aus dem gleichnamigen Gedicht von Frantz Wittkamp und fasst zusammen, was im Rahmen des Schreibwettbewerbs „Heimat bist DU!“ entstand.
So konnten die rund 100 Gäste am Donnerstagabend im Holzwurmtheater im a2 in Weinheim eine bewegende Literaturveranstaltung erleben.
Die Bürgerstiftung Weinheim knüpfte mit dieser Veranstaltung bewusst an die Tradition des 2020 verstorbenen Literaten und Verlegers Hans-Joachim Gelberg an, der vor vielen Jahren seine literarischen Lesungen mit Musik in der evangelischen Kirche in Lützelsachsen begründet hat.
Im Mittelpunkt des Abends standen die prämierten Beiträge des Schreibwettbewerbs „Heimat bist DU!“, den die Bürgerstiftung in Kooperation mit der Stadtbibliothek anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Bürgerstiftung und der Heimattage 2025 in Weinheim ausgeschrieben hat. Über 30 Einsendungen waren eingegangen, zwölf davon wurden ausgezeichnet und von Katja Hoger und Holger Mattenklott eindrucksvoll vorgetragen.
Die Texte – Gedichte, Essays und Briefe – erzählten in sehr persönlicher Weise von gefundener und verlorener Heimat. Sie zeigten die Vielfalt eines Begriffs, der so unterschiedlich empfunden werden kann, wie Menschen verschieden sind: Heimat als vertrauter Ort, als Sprache, als Wurzel, als Erinnerung – und doch vor allem – als Gefühl.
In ihrem Gedicht „Kulissenwechsel“ beschreibt Christiane Hedke, dass nicht die äußere Umgebung oder Landschaft entscheidend dafür ist, wo man lebt, sondern das Gefühl von Zugehörigkeit.
Claudia Schmid erzählt in „Endlich daheim“ von einem Mann, der überraschend eine Nachricht seiner Jugendliebe Anna erhält, die alte Erinnerungen an Weinheim und ihre gemeinsame Zeit weckt.
Ingrid Reidel erinnert mit „Die Saite der Heimat“ an das einfache Instrument, das ihr Großvater ihr als Kind baute und das sie ihr Leben lang als emotionaler Kompass begleitete. Die einzelne Saite wird zu einem Symbol von Heimat, Verbindung und Trost.
Mit dem “Kerweparre” beklagt Bernd Ströbel humorvoll, aber deutlich „uff Woinemerisch“, dass in „Woinem“ die Kerweparre – also die traditionellen Kerweredner aus dem Volk – fehlen. Der Autor ruft dazu auf, Kindern wieder die Weinheimer Sprache und Traditionen beizubringen – und echte Kerweparre könnten genau dabei helfen.
In Elfi Neubauer-Thiess nimmt den Ausgang ihrer Geschichte im Titel vorweg: „Danke, mir geht es gut“. Es geht um eine Großmutter, die für ihre Enkelin Silja ein Buch sucht. Das Mädchen möchte einem neuen Kita-Jungen helfen, der seine Heimat verloren hat und niemanden versteht.
Harald Richters “Das Netz” folgt dem Lebensweg des Erzählers und zeigt, wie sich sein Verständnis von Heimat ständig. Am Ende erkennt er, dass Heimat als ein lebenslang geknüpftes Netz aus Erinnerungen, Beziehungen und Erfahrungen, das einen trägt.
In ihrem kurzen Elfchen fasst Ellen Hudelmeyer im abschließenden Wort „FühlHeimat“ ihr starkes Heimat- und Wohlgefühl in der neuen Umgebung zusammen.
Sarah Münch schildert in ihrer Geschichte „Ankommen und Heimfinden“, wie eine Frau in die Wohnung und Stadt ihrer Kindheit zurückkehrt, wo Gerüche, Orte und Erinnerungen ihr sofort ein Gefühl von tiefer Vertrautheit geben. Sie erkennt Heimat als ein Geflecht aus Erinnerungen und Geborgenheit – und beginnt ein neues Kapitel in ihrem alten Zuhause.
Karl Hoger schreibt einen Brief an seinen Enkel. Für ihn ist Heimat die seit über 60 Jahren währende große Liebe seines Lebens zu seiner Frau, die er bei einer unerwarteten Reise in Österreich kennenlernte.
Der Text „eine handvoll heimat“ von Christina Peter-Brutscher besteht aus fünf poetischen Teilen, die Heimat als Gefühl, Erinnerung und persönliches Koordinatensystem erforschen. In fragmentarischen, spielerischen Bildern beschreibt die Autorin das Suchen und Finden von Zugehörigkeit.
Mit „Mein liebes Weinheim“ spricht Erik Wegener seine neue Heimatstadt direkt an. Seine anfangs schwierige Beziehung zu Weinheim, das er eher leer, langsam und ereignislos erlebte, nahm eine positive Wendung, als er neue Freundschaften fand und lernte, die Stille als Chance für Selbstreflexion und Freiheit von äußeren Reizen zu erleben.
Die Geschichte von Dr. Markus Weber trägt den Titel „Mein Freund, der Exot“. Er beschreibt seine tiefe, fast lebenslange Verbundenheit zu einem Mammutbaum im Weinheimer Exotenwald. Ein Baum aus Übersee, der in Weinheim eine neue Heimat gefunden hat. Und der – Ruhe, Trost und Kraft spendend – seinem Freund Heimatgefühle schenkt.
Die Autorinnen und Autoren gewährten den Zuhörerinnen und Zuhörern tiefe Einblicke in ihr Innerstes, und Hoger und Mattenklott verstanden es, den Worten der Schreibenden nicht nur Stimme, sondern spürbare Seele zu verleihen und sorgten für stille, nachdenkliche aber auch heitere Momente im Publikum.
Musikalisch eingerahmt wurde die Lesung vom Chor „The Hitt Voices“ der Musikschule Badische Bergstraße, der den literarischen Abend einfühlsam begleitete und bereicherte.
Die Besucherinnen und Besucher verließen das Holzwurmtheater berührt und tief beeindruckt – ein Abend, an dem Worte tatsächlich zu Wundern wurden.
Wer die Texte nachlesen möchte, ist herzlich in die Stadtbibliothek eingeladen. Dort liegen sie aus.
